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Empfohlen von Karin Janker, Süddeutsche Zeitung
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Die katalanische Schriftstellerin und Journalistin Montserrat Roig galt lang als Außenseiterin ihrer eigenen Kultur. Dabei erzählt sie so wunderbar von den Randfiguren in ihrer Heimatstadt.
„Stillschweigen bewahren und mich dumm stellen“, das sind so die Dinge, die von der Ich-Erzählerin in Montserrat Roigs „Die Frauen vom Café Núria“ erwartet werden. Oder generell von den Frauen ihrer Zeit: dem langen 20. Jahrhundert in Spanien. Den Frauen ging es wie der katalanischen Literatur: Sie wurden vom Franquismus zum Schweigen gebracht, stumm geschaltet. Die katalanische Schriftstellerin Montserrat Roig erzählt von dieser doppelten Marginalisierung, als Frau und als Katalanin. Sie hat sie selbst erlebt und macht sie erfahrbar in der heutigen Zeit, in der das Schweigen wieder größer statt kleiner zu werden droht.
„Sie akzeptieren dich, weil du intelligent oder gebildet bist, weil du nicht hässlich bist, sie werden dich nicht verprügeln, aber du wirst nicht präsent sein, du wirst das Land nicht mitgestalten, du wirst keine Kultur verändern. Mach deine Nebensächlichkeiten, schreib deine Büchlein, nerv nicht.“ So beschrieb Montserrat Roig einmal selbst die Rolle, die ihr zugedacht war. Eine Außenseiterin in ihrer eigenen Kultur. Denn die spanische Vielsprachigkeit, der kulturelle Reichtum dieses vielgestaltigen Landes – unter Francos Diktatur sollten sie der Vereinheitlichung weichen.
Montserrat Roig gab sich mit dieser Rolle nicht zufrieden. 1946 wurde sie in Barcelona geboren, Tochter einer linken bürgerlichen Familie, Muttersprache Katalanisch. Das Bekenntnis zum Katalanischen war mutig für jene Zeit. Francisco Franco hatte den Spaniern (sic!) die Gleichförmigkeit verordnet. Doch Spaniens Geschichte lehrt auch: Gerade die Sprache ist widerständig. Montserrat Roigs Werk zeugt davon. Das Katalanische wurde ihre Herzenssprache und Medium ihres literarischen Schreibens. An der Universität und später auch in ihrem journalistischen Schaffen verwendete sie das Kastilische, die Sprache der Obrigkeit. Roig war pragmatisch, Emanzipation war ihr nicht nur ein Anliegen zwischen den Geschlechtern, es ging ihr auch sprachlich um Unabhängigkeit.
Das pluralistische, im besten Sinne engagierte Schreiben der katalanischen Schriftstellerin Montserrat Roig gilt es jetzt wiederzuentdecken oder vielmehr: neu zu entdecken. Erstmals hat der Kunstmann-Verlag ihre Barcelona-Trilogie vollständig auf Deutsch herausgebracht, übersetzt von Kirsten Brandt und Ursula Bachhausen. „Die Frauen vom Café Núria“, ursprünglich 1972 erschienen, erzählt von drei Frauen, drei Generationen, die in der katalanischen Hauptstadt zur Zeit der Ersten Republik, während des Spanischen Bürgerkriegs und im Franquismus leben. An ihnen verkörpern sich die Zeitläufte selbst, die Umbrüche und Ideologien, die Traditionen und Rollenverständnisse. Der weibliche Körper ist bei Roig ein Zerrspiegel des männlichen Blicks, in ihm offenbart sich die Groteske.
Der zweite Band der Trilogie, „Als wir von den Kirschen sangen“, setzt in den 1970er-Jahren ein. Wieder eine Zeit des Umbruchs; 1975 starb Francisco Franco. Natàlia, die Protagonistin, hat nach einer brutalen illegalen Abtreibung eine Zeit lang in England gelebt und kehrt nun nicht nur nach Spanien, sondern auch zu ihrer längst abgelegt geglaubten Vergangenheit zurück. Hier trifft sie Sílvia wieder, deren Mutter nie Töchter gewollt hatte, „weil sie sagte, Mädchen seien alle strohdumm, und Männer hätten es besser im Leben“. Das erste Wort, das Sílvia als Kind sagen konnte, war „Angst“.
Der dritte Band, „Die violette Stunde“, der im April erscheint, versöhnt die Generationen, nicht aber die Geschlechter. Als wirklich feministische Protagonistin taugt Roigs Natàlia nicht, ihr Aufbegehren bleibt oft ein theoretisches, während ihr Leben und Lieben doch den Konventionen der Existenz als Geliebter eines verheirateten Mannes gehorcht. Montserrat Roig erdichtet keine Befreiungsgeschichte. Ihr Ausgang bleibt in der Schwebe.
Ob Roig, die auch mit ihrem journalistischen Schaffen im postfranquistischen Spanien eine wichtige Stimme war, ehe sie 1991 mit nur 45 Jahren an Brustkrebs starb, nun wirklich in eine Reihe mit Simone de Beauvoir und Joan Didion zu stellen ist, wie es der Verlag vorschlägt, bleibt dahingestellt. Ein anderer Vergleich wäre naheliegender: Roigs schonungsloser und zugleich zärtlicher Blick auf die Frauen ihrer Zeit nimmt es leicht mit der geglätteten Prosa einer Elena Ferrante auf. Über der Barcelona-Trilogie liegt weniger Amore, es ist, als wären die Hände, die diesen Ton zu Geschichten geformt haben, rauer und rissiger. Montserrat Roig zu entdecken lohnt. Ihr Schreiben ist bis heute Inspiration für Generationen nicht nur katalanischer, sondern auch spanischer Autorinnen. Denn natürlich wurde ihr Werk längst ins Kastilische übersetzt. Da ist sie, die Versöhnung, die in der Kunst der Übersetzung liegt.
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