Am 11. Mai ist Muttertag - hier finden Sie Geschenkideen für die Beste!
Empfohlen von Christina Lopinski, Süddeutsche Zeitung
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Auf der Suche nach einem Sportgerät, das es eigentlich gar nicht gibt, kommt Jaša in Deutschland an. Ein Buch darüber, wie Integration funktionieren sollte.
Kinder wünschen sich die ungewöhnlichsten Dinge. Ein Pferd, den Weltfrieden, einen Besuch auf dem Mond – oder eben ein Liekesch. Das zumindest wünscht sich Jaša im Kinderbuch von Mehrnousch Zaeri-Esfahani und Frauke Angel. Die verrückte Geschichte des heiß ersehnten Liekesch beginnt mit Jašas Sportlehrerin, die ihm nahegelegt, Liegestützen zu machen, um stärkere Arme zu bekommen. Nun ist Jaša aber erst vor Kurzem von Bosnien nach Deutschland gekommen, das Wort Liegestütze ist ihm fremd. Aber starke Arme, die will er unbedingt. Also muss er es suchen, dieses Lie-Kesch-Tut, oder Liekesch?
Im Sportladen an der Ecke lernt Jaša dessen Inhaber Frank kennen, der das Liekesch für einen neuen Trend hält und dem Jungen verspricht, ihm bei der Suche danach zu helfen. Jaša ist nun nicht mehr zu stoppen. Er hat eine Mission: Geld verdienen, damit er sich ein Liekesch kaufen kann – was auch immer dieses Liekesch sein soll. Weil sämtliche Versuche des Geldverdienens scheitern, entwickelt er gemeinsam mit seinem neuen Freund Frank einen Plan: Jaša läuft nun jeden Tag eine Route, markiert durch Snack- und Fahrkartenautomaten, ab, um das zurückgelassene Kleingeld in den Automaten einzusammeln. Außerdem führt er Kunden im Sportladen die Geräte vor und bekommt ab und zu ein kleines Trinkgeld dafür.
So wird Jaša, ganz ohne es zu merken, der beste Sportler seiner Klasse. Durch die Interaktion mit den Kunden und den Gesprächen mit Frank verbessert er außerdem sein Deutsch. Von seinen Klassenkameraden wird er nun wahrgenommen und manchmal vergisst er sein Liekesch beinah. Pünktlich zur Weihnachtszeit findet Frank im Lager des Sportladens dann aber tatsächlich ein Liekesch, jedenfalls gibt er ein Gerät kurzerhand dafür aus, und Jaša ist überglücklich, als er mit einem Springseil, gekauft von seinem selbstverdienten Geld, nach Hause geht. Es kommt ihm gar nicht in den Sinn, dass dieses Sportgerät gar kein Liekesch sein könnte, denn alles, was er sich über Wochen von dem Liekesch erhofft hatte, ist zu ihm gekommen.
Die Geschichte von Jaša und Frank ist natürlich keine Geschichte über starke Arme. Eher symbolisch stehen diese Arme für Integration und den Wunsch, zu einer Gemeinschaft, in Jašas Fall einer Schulklasse, dazuzugehören. Während Jaša so dringlich nach einem Gegenstand sucht, den es eigentlich gar nicht gibt, findet er alles andere: Freundschaft, Zugehörigkeit und das Gefühl von Heimat. Man möchte fast an Rilke denken, der in seinem Gedicht über die Geduld schrieb, dass man, ohne es zu merken, in die Antworten hineinlebt, wenn man auch die Fragen mit Leben füllt.
Die Autorinnen Zaeri-Esfahani und Angel schaffen mit dieser Botschaft auf spielerische Weise Vertrauen in den Prozess des Suchens und beleuchten die Schönheit der Zufälligkeit des Lebens. Ungewöhnliche Freundschaften spielen dabei genauso eine Rolle wie festgefahrene Verhaltensmuster. Während Frank Jaša ganz unbewusst dabei hilft, sich in einem neuen Land zurechtzufinden, wächst auch Frank über sich hinaus und begegnet seinen eigenen Dämonen – Einsamkeit, Trauer, Selbstwert – mit Wohlwollen und Witz. Dass gerade Zaeri-Esfahani und Angel die Heilsamkeit von zwischenmenschlichen, interkulturellen Beziehungen beleuchten, ist nicht verwunderlich. Vor allem Zaeri-Esfahani setzt sich auch aufgrund ihrer eigenen Biografie – als Kind floh sie mit ihrer Familie aus dem Iran nach Deutschland – in ihren Werken oft mit Diversität und Integration sowie der Suche nach Heimat und Liebe auseinander.
Genauso bunt wie der Inhalt sind die Illustrationen von Barbara Jung. Sie hat die Briefe von Frank an seine Mutter gestaltet, sie stellen einen zweiten Erzählstrang dar und beschreiben teils über mehrere Seiten die Geschichte von Jaša und dem Liekesch aus Franks Perspektive. Dieses Stilmittel lässt den Leser zuerst ratlos zurück. Bis zur letzten Seite. Denn mit Hilfe von Jungs Illustrationen versteht man: Nur wer in Kontakt mit anderen Menschen tritt, kann auch in Kontakt mit sich selbst kommen und bisweilen Dinge zurücklassen, die einen immer beschwert haben. So ist das zumindest bei Frank.
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