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Empfohlen von Peter Richter, Süddeutsche Zeitung
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Als einer der ersten Absolventen des Chicagoer Institute of Design erwarb der gebürtige New Yorker Marvin E. Newman 1952 einen Master of Science in Fotografie. Zurück in seiner Heimatstadt, begann er wie viele Fotografinnen und Fotografen vor ihm, das Leben in der Weltstadt zu dokumentieren. Im Unterschied zu seinen Vorgängern wählte Newman die Farbfotografie als bevorzugtes Medium, um die Menschen und die überbordende Energie New Yorks und dessen Aufstieg in den 1950er Jahren zur selbsternannten "Greatest City in the World" festzuhalten.Obwohl Newman sich bei Institutionen wie dem Eastman House, dem MoMA und dem International Photography Center eines exzellenten Rufs erfreut, blieb sein Werk jenseits des Kreises namhafter Sammler und Galeristen bis heute weitgehend unbeachtet. Nachdem Newman bereits in New York: Portrait of a City vorgestellt wurde, präsentiert TASCHEN nun die erste Monografie des Künstlers mit rund 170 Bildern aus den späten 1940er bis frühen 1980er Jahren, die bisher nur als Collector's Edition erhältlich war. Newman verstarb 2023 im Alter von 95 Jahren.Vom Times Square bis zur Wall Street zeigen Newmans lebendige, originelle Tableaus neue Perspektiven auf vertraute New Yorker Wahrzeichen, offenbaren aber vor allem ein einzigartiges Gespür für das Leben in der Stadt und das Drama der Metropole mit all ihren Extremen. Der Band umfasst neben Newmans New-York-Bildern auch Impressionen aus anderen Regionen der USA, unter anderem aus Chicago und Kansas, von einem alten Zirkus aus den Fünfzigerjahren, aus einem Bordell in Reno (Nevada), aus Las Vegas, Alaska und dem Kalifornien der 1960er Jahre, sowie Aufnahmen aus seinem Sportfotografie-Portfolio mit Ikonen wie Cassius Clay und Pele'.Newman, der von der renommierten Howard Greenberg Gallery vertreten wird, hatte schon lange eine Monografie verdient. Mit einem Essay des Kritikers und Wissenschaftlers Lyle Rexer bietet diese erste chronologische Retrospektive die gebührende Würdigung eines herausragenden Talents und liefert denkwürdige Bilder für das Auge und die Seele.
Marvin E. Newman – nie gehört von dem Fotografen? Dann herzlichen Glückwunsch! Es gibt kaum etwas Beglückenderes, als doch noch mal jemand Neuen zu entdecken auf einem Gebiet, das eigentlich als bekannt und abgegrast gilt: eine Malerin der Renaissance zum Beispiel oder, wie in diesem Fall, einen amerikanischen Street Photographer, den selbst viele Fans von Diane Arbus oder Robert Frank, William Eggleston oder Joel Meyerowitz noch nicht kannten. Dabei gehörte er genau dazwischen, arbeitete in vielem ähnlich, aber dann auch wieder ganz anders.
Marvin Elliott Newman war 1927 in der Bronx zur Welt gekommen, in einer Familie von jüdischen Bäckern, und hatte das Handwerkliche wie das Künstlerische an seinem Beruf in Chicago gelernt. Die Fotos, die er zu Beginn der 1950er dort und in seiner Heimatstadt New York aufgenommen hat, sind ganz im klassischen Modus der Street Photography gehalten. Der scharfe Blick ins Leben der Städte, das Interesse für die verschiedenen sozialen Schichten, vor allem für die Afroamerikaner, das Anekdotische, die visuellen Pointen, auch wenn sein Sinn für Ironie und Humor nie ins Witzelnde oder gar Denunziatorische kippt, sondern warm und höflich bleibt, vor allem aber das grafische Balancespiel mit Licht und Schatten im Schwarz-und-Weiß: Schon das sind allesamt großartige Bilder.
Spektakulär wird es allerdings, als die Farbe ins Spiel kommt. Newman macht Bilder wie einer, der oft und gern ins Museum of Modern Art gegangen ist und in den Räumen mit Color Field Painting, Abstraktem Expressionismus und Pop Art Dinge aufgesogen hat, die er dann draußen mit der Kamera in eigene Bilder transponiert. Wenn er Leute zeigt, die vor den geschlossenen Buden am Boardwalk von Coney Island ein Bad in der niedrigen Wintersonne nehmen, sieht das aus, als stünden sie in Farbfeldgemälden von Barnett Newman. Wenn er den nächtlichen Broadway oder die damalige Rotlichtgegend an der 42nd Street in den Blick nimmt, werden das fotografische Äquivalente zu Bildern von Jasper Johns oder Robert Rauschenberg. Und wenn sich die roten Reklamen und Autorücklichter der Großstadt zerfasert in Pfützen spiegeln, fragt man sich sogar, ob man hier wirklich noch eine Kamera am Werke sieht oder schon das Rakel aus den (viel später entstandenen) abstrakten Malereien von Gerhard Richter.
Es kann sein, dass Marvin E. Newman deswegen so lange nicht in den Kanon der amerikanischen Kunstfotografen aufgenommen wurde, weil er immer auch thematische Bildstrecken für Magazine und Illustrierte gemacht hat, Fotojournalismus also. Dabei entstanden allerdings einige seiner anspruchsvollsten Bilder. Allein die Serie, die er Anfang der Siebziger im ersten legalen Bordell Nevadas fotografierte, ist schlicht spektakulär in ihrer Balance zwischen Sozialreport und ästhetischer Autonomie, Respekt und teilnehmender Heiterkeit. In Wahrheit ist es aber so, dass Newman darüber zum größten Kunstmaler unter seinen Berufskollegen wurde, zu einem Action Painter mit der Kamera.
Voriges Jahr ist Newman gestorben, im Alter von 95 Jahren. Höchste Zeit also für eine erste große Retrospektive, um ihn endlich kennenzulernen. Die gibt es jetzt, und das Schönste daran ist, dass die nicht etwa im Museum of Modern Art stattfindet oder im Whitney oder irgendeinem anderen Museum, für das man jetzt ins teure und von der Präsidentschaftswahl noch traumatisierte New York müsste, sondern in einem sehr schönen Fotoband im Taschen-Verlag – also für jeden, der mag, zum Blättern zu Hause. Und es ist wirklich schwer, diese Bilder nicht zu mögen.
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