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Die Weiße Iris - Rezensiert in der SZ von David Steinitz
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Der neue Band von Zeichner Didier Conrad und Texter Fabcaro ist das beste Heft seit Langem. Die Geschichte handelt von einer revolutionären Idee, die Cäsar zu Beginn erst mal die Kinnlade runterklappen lässt. Positives Denken? Das hat noch keiner seiner Berater vorgeschlagen, um das leider immer noch nur fast ganz besetzte Gallien endlich vollständig zu erobern. Aber sein "Oberster Medicus" Visusversus, der den Vorschlag ins Spiel bringt, ist überzeugt: In einer Zeit, in der selbst die einfachen Legionäre immer mehr auf ihre Work-Life-Balance achten, kommt man mit dem ewigen Krieg nicht mehr weiter.
Im neuen "Asterix"-Album "Die weiße Iris" versuchen die Römer, das gallische Dorf mit positivem Denken und gesunder Ernährung zu erobern. Es ist das beste Heft seit Langem.
Wer das neue "Asterix"-Heft rezensieren möchte, bekommt natürlich nicht einfach ein Exemplar in die Post gesteckt, wie Verlage es sonst machen - viel zu gefährlich. Asterix ist ein Riesenbusiness, das aktuelle Album hat eine weltweite Startauflage von fünf Millionen, wovon allein 1,7 Millionen auf Deutschland entfallen, vermutlich die zweitgrößte Asterix-Nation nach Frankreich. Welches Druckexemplar (außer vielleicht noch der Apotheken Umschau) bewegt sich schon in einer solchen Auflagenhöhe, von der selbst die meisten Bestsellerautoren nur träumen können?
Die Geheimniskrämerei um den Inhalt jeder Fortsetzung ist längst ein fester Bestandteil der PR-Maschinerie. Keinesfalls sollen vor dem Erscheinungstermin des Hefts an diesem Donnerstag, 26. Oktober, Ausschnitte oder - beim Teutates! - das ganze Exemplar im Netz landen. Weshalb man für "Die weiße Iris" also nach Frankfurt zur Buchmesse reiste, wo man im Tausch gegen sein Handy ein Exemplar ausgehändigt bekam. Das durfte man dann unter Aufsicht in Ruhe studieren und musste es im Anschluss wieder zurückgeben. Erlaubt waren währenddessen immerhin Notizen mit einem Asterix-Kugelschreiber auf einem Asterix-Notizblock.
Der Zenturio Daximplus bekommt vom Gesandten aus Rom Fleischverbot erteilt
Der 40. Band handelt von einer revolutionären Idee, die Cäsar zu Beginn erstmal die Kinnlade runterklappen lässt. Positives Denken? Das hat noch keiner seiner Berater vorgeschlagen, um das leider immer noch nur fast ganz besetzte Gallien endlich vollständig zu erobern. Aber sein "Oberster Medicus" Visusversus, der den Vorschlag ins Spiel bringt, ist überzeugt: In einer Zeit, in der selbst die einfachen Legionäre immer mehr auf ihre Work-Life-Balance achten, kommt man mit dem ewigen Krieg nicht mehr weiter.
Kenner werden diese Geschichte natürlich umgehend als modernes Komplementärstück zum Klassiker "Streit um Asterix" (1970) identifizieren. Damals schickte Cäsar den Zwietrachtsäer Destructivus ins uns wohlbekannte kleine Dorf, um den berühmten Zusammenhalt der Gallier zu brechen; jetzt probiert es der letztlich nicht minder sinistre Visusversus mit positivem Denken und, schluck, gesunder Ernährung. Diese Methode bezeichnet er als "Die weiße Iris". Seine Hoffnung ist, dass ein mit seinem Körpergewicht und seinen Gefühlen in Einklang befindlicher Gallier keine Römer mehr verdrischt. Visusversus wird zum Dauergast im Dorf und umschleimt den Fischhändler Verleihnix und den Schmied Automatix und überhaupt alle Bewohner, bis sie sich nur noch in Floskeln unterhalten, die natürlich jeden normal schlecht gelaunten Menschen sofort zur Weißglut treiben: "Jede verschlossene Tür ist eine Einladung, eine andere zu öffnen"; "Wer Jähzorn besiegt, überwindet seinen stärksten Feind".
Und die Wildschweine? Sind ab jetzt natürlich tabu. Stattdessen gibt es Fisch. Gut für die Schweine - schlecht für Obelix. Aber auch Asterix schwant nichts Gutes bei so viel Gutgemeintem aus Rom. Die spinnen, die Gutmenschen.
Der Positivdenker krempelt aber, wo er schon dabei ist, auch gleich noch seine eigenen Landsleute im befestigten Römerlager Babaorum um. Er erklärt dem zuständigen Zenturio mit dem fantastischen Namen Daximplus, dass die Zeit der in Straußenschmalz geschmorten Wachteln vorbei ist. Von jetzt an ist Fleisch tabu, Beschimpfungen auch. Die Legionäre sollen zum Beispiel das Gallierdorf nicht mehr als "Dorf der Spinner" bezeichnen. Sondern lieber als "Dorf jener Leute, die sich aufgrund ihres exzentrischen Verhaltens von dir und mir unterscheiden".
Das neue Heft wurde von Didier Conrad gezeichnet, dem Nachfolger des großen Uderzo an der Zeichenbank, den dieser noch zu Lebzeiten inthronisiert hatte. Es ist bereits Conrads sechster "Asterix". Die letzten Bände hatte er gemeinsam mit dem Texter Jean-Yves Ferri gemacht. Der legt diesmal eine Pause ein, um sich neben dem stressigen Asterix-Job auch noch anderen Projekten widmen zu können. Alle zwei Jahre ein Heft, das klingt erst mal entspannt, ist aber in der Praxis ein ziemlicher Stress, wie die beiden schon oft berichtet haben. Also gibt diesmal der in Frankreich bereits recht bekannte Comic-Autor Fabcaro sein Debüt als Texter.
Und was soll man sagen, er tut der Reihe mehr als gut. Die letzten Hefte waren meistens ganz in Ordnung, mehr aber auch nicht. Wenn man ehrlich ist, waren ja bereits die Hefte, die Uderzo ohne seinen ursprünglichen Texter-Compagnon Goscinny gemacht hatte, weit von der Klasse des Duos zu den großen Asterix-Jahren entfernt. Goscinny hatte eine fast schon unverschämte Gabe fürs Schreiben. Nur Menschen, die selbst wirklich gar keinen Humor haben und also auch nicht wissen können, wie unendlich schwer es ist, komisch zu schreiben, würden ihn nicht zu den großen Autoren des 20. Jahrhunderts zählen.
Der neue Texter Fabcaro verankert seine erste Asterix-Geschichte zum Glück wieder deutlich mehr im Kosmos der alten Goscinny-Hefte, was wirklich keine kleine Kunst ist. Zumal zuletzt eher merkwürdige Filme wie "Asterix & Obelix im Reich der Mitte" die Asterix-Welt nicht gerade zu ihrem Besten aus- und überdehnt hatten. Wer sein Leben nicht nur, aber doch zu wichtigen Teilen damit verbracht hat, alle alten Asterix-Alben wieder und wieder zu lesen (was eine der besten Schreibschulen ist, die man durchlaufen kann), der wird die Anspielungen und Figuren und Running Gags aus "Die Lorbeeren des Cäsar", "Asterix und der Kupferkessel" und "Asterix und der Avernerschild" sofort erkennen. Alle anderen können auch ohne diese Grundkenntnisse Spaß haben. Und Didier Conrads Zeichnungen, die in den vergangenen Jahren manchmal etwas erschlagend und schwer zu überblicken waren, sind diesmal so klar und pointiert strukturiert wie einst bei Uderzo.
Die deutsche Übersetzung, die bis Band 29 meisterhaft von Gudrun Penndorf besorgt wurde, hat mittlerweile auch schon seit Jahren nicht minder sorgsam Klaus Jöken übernommen. Er wahrt wieder eine gute Balance aus Original und sanfter Eindeutschung. Der "Eilkarren" nach Lutetia zum Beispiel hat im klassischen Deutsche-Bahn-Sprech "Verspätung wegen eines vorausfahrenden Karrens". Auch die Eigennamen sind wieder eine große Freude. Es gibt den Legionär Walnus, den Schauspieler Boxoffix und den Wirt Microbiotix. Letzterer setzt den vom grassierenden Vegetarismus schwer geplagten Obelix zusätzlich unter Druck mit seinen Fett vermeidenden Kochkünsten. Aber Obelix bleibt seinem persönlichen Ernährungskonzept trotzdem treu: "Nichts ist gesünder und verträglicher als ein Wildschwein."
Und die Gallier wären natürlich nicht die Gallier, wenn sie trotz des ganzen Tohuwabohus am Ende nicht doch ein Antidot gegen die "weiße Iris" der Römer finden würden. Es ist, natürlich: ein blaues Veilchen.
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