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Roman. Nobelpreis für Literatur 2021 - Empfohlen von Aurelie von Blazekovic, Süddeutsche Zeitung
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Als Abdulrazak Gurnah 2021 den Nobelpreis für Literatur gewann, gab es tatsächlich Beobachter, die meinten, das sei wohl die neuste Diversity-Entscheidung, dass jetzt ein Autor aus Sansibar diesen Preis der Preise gewinnt – den kenne doch in Deutschland gar keiner! Was der europäische Blick aus einem Mann aus Afrika macht, das weiß Abdulrazak Gurnah zwar zu beschreiben. Doch das ist nicht der Grund, aus dem „Das versteinerte Herz“ ein umwerfendes Buch ist.
Erst dieses Jahr auf Deutsch erschienen, folgt es dem jungen Salim, der an der Küste Sansibars aufwächst, in den Jahren nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft. Er hat eine harte Mutter, und einen Vater, der auf kuriose Weise aus seiner Kindheit verschwindet, allerdings jahrelang nicht weit entfernt im Hinterzimmer eines Ladens haust. Dort wird er erst von der Mutter, später von Salim selbst mit Essen versorgt. Was für eine Art Familiengeheimnis führt in diesen Selbstarrest unter Beibehaltung der familiären Fürsorge? Wie soll sich ein Heranwachsender, mit dem keiner richtig spricht, das erklären?
Salim begleitet bald seinen ehrgeizigen Onkel Amir nach England, wird dort vom Fremdkörper in der eigenen Familie zum Fremdkörper in einer Gesellschaft. Auch zum Einwanderer unter vielen anderen Einwanderern, die alle aus ihren kolonisierten Flecken der Welt kommen, sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen: ihre Fremdheit, ihre Einsamkeit. Es ist eine berührende Geschichte, eine in ihren Shakespeare-Anklängen (der Originaltitel „Gravel Heart“ verweist auf den englischsten aller Dramatiker) beinahe märchenhafte. Sie sitzt genau an der ungemütlichen, schuldbehafteten Frage des persönlichen Spielraums, den korrupte Systeme lassen.
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