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Vom Zustand der Debatte in der Digitalmoderne
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Zieht sich eine liberale Gesellschaft gerade den Boden weg, auf dem sie fest stehen sollte? Ein Essay darüber, was die digitale Massenkommunikation zwischenmenschlich anrichtet.
Nichts hat das Zusammenleben so umfassend verändert wie die Digitalisierung - wir denken, fühlen und streiten anders, seit wir dauervernetzt und überinformiert sind. Die Auswirkungen betreffen alle, egal, wie sehr sie die neuen Medien überhaupt nutzen. Es ist ein Stresstest für die Gesellschaft: Der Überfluss an Wissen, Geschwindigkeit, Transparenz und Unlöschbarkeit ist, unkanalisiert, kein Wert an sich.
Demokratiepolitisch bedeutsam wird dies bei der vielbeschworenen Debattenkultur. Denn die Umgangsformen der sogenannten Sozialen Medien haben längst auf die anderen Arenen übergegriffen, Politik und Journalismus spielen schon nach den neuen, erbarmungsloseren Regeln. Früher anerkannte Autoritäten werden im Dutzend abgeräumt, ohne dass neue nachkommen, an die Stelle des besseren Arguments ist die knappe Delegitimierung des Gegners getreten. Eine funktionierende Öffentlichkeit - als Marktplatz der Meinungen und Ort gesellschaftlicher Klärung - scheint es, wenn überhaupt, nur noch in Bruchstücken zu geben.
In ihrem Essay kreist Eva Menasse um die Fragen, die sie seit vielen Jahren beschäftigen: vor allem um einen offenbar hoch ansteckenden Irrationalismus und eine ätzende Skepsis, vor denen niemand gefeit ist.
Sich da heranzuwagen, an das unfassbare Gebilde Internet, das Meer aus Bildern, Sprüchen, Bedürftigkeiten, nackter Haut und Möglichkeiten, Wut und Zeitverschwendung, Öffnung, Freiheit, Betäubung, das erfordert schon Mut, und den hat Eva Menasse in meinen Augen.
Vor Kurzem dachte ich, alles, was ich im Internet zu sehen bekomme, ist vergangen. Eine Bibliothek vergangener Momente ohne Autoren. Eva Menasse stellt sich dieser Bibliothek und ihren eigenen Beobachtungen gefasst in einer tastenden, sorgfältigen Sprache. Fast jeder kann fast jeden jederzeit beobachten und sich selbst aus dem Blick verlieren.
Das Grauen und die Möglichkeiten des Internets zeichnet Eva Menasse mit wenigen Strichen nach und stellt dem Leser lauter Fragen: Wofür brauchst du die Halde fremder Leben für dein eigenes? Mit wem verbindest du dich wirklich? Wem willst du treu sein? Sie legt den Finger auf die Wunde Internetwut, die anonyme Flut aus Beschimpfungen und Gezeter und fragt uns: Ist ein Streit in einer Küche nicht kostbarer als unzählige allein getippte Kommentare? Trotzdem schien mir das Buch kein Aburteil zu sein. Vielleicht ein Stirnrunzeln und ein Um-Vorsicht-Bitten.
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