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Über das Kümmern und die Zeit, die uns bleibt - Empfohlen von Julia Rothhaas, Süddeutsche Zeitung
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Was bedeutet es, wenn die Eltern alt werden? Bestsellerautor Volker Kitz erzählt in seinem literarischen Essay die Geschichte seines Vaters und erkundet an ihr exemplarisch, wie sich familiäre Verantwortung verschiebt, wenn Eltern alt werden. Sein Buch berührt die Gefühle und Fragen einer ganzen Generation.
»Bleibt bei mir«, bittet der Vater seine zwei Söhne, als die Erinnerung ihn verlässt. Bis dahin war Erinnerung für Volker Kitz kein Thema. Sie funktionierte, der Vater funktionierte, die Familie funktionierte. Doch eines Tages verunglückt die Mutter, und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Erst unmerklich, dann immer deutlicher, verliert der älter werdende Vater die Orientierung in seiner Welt. Volker Kitz begleitet ihn, von den übersehenen Anfängen bis zu dem Tag, an dem der Vater vergisst, wie man schluckt. Durch Hoffnung und Hilflosigkeit, bis zum Abschied, als der Vater - trotz allem plötzlich - stirbt. In diesem persönlichen literarischen Essay erkundet Volker Kitz eine Zeit der Ungeahntheiten, in der sich Verantwortung verschiebt, und dringt mit zärtlicher Wucht zu Empfindungen und Fragen vor, die eine ganze Generation betreffen.
»Was für ein Buch, das so viele Menschen betrifft! Aufwühlend und tröstlich zugleich, eine packende Erzählung nicht nur über den Tod, sondern auch über das Leben.« Kristof Magnusson
»Eine Schule der Empathie und des Verstehens - ein unendlich schönes Buch.« Maria-Christina Piwowarski
»Es ist lange her, dass mich ein Buch so berührt hat. Manchmal musste ich mitten im Satz innehalten, weil so viele eigene Bilder und Erinnerungen in mir hochkamen, dann wieder konnte ich es nicht weglegen.« Sarah Stricker
„Hallo Papa.“ „Was willst du damit sagen?“
„Warum ziehst du dir immer den linken Socken aus?“ „Die beiden Socken vertragen sich nicht.“
„Wir können hier die Straße hochlaufen.“ „Aber nicht höher als zwanzig Zentimeter! Ich will nicht runterfallen.“
In Deutschland leben 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, mehr als 1200 kommen jeden Tag dazu. Einer davon: der Vater von Volker Kitz. In „Alte Eltern. Über das Kümmern und die Zeit, die uns bleibt“ versucht er, mit dem schleichenden Verlust des vertrauten Menschen zurechtzukommen, der irgendwann nicht mehr weiß, wie man sich die Schuhe anzieht, den Löffel zum Mund führt, den Kopf dreht. „Selbst als wir wussten, um was es ging, als die Leugnungsphase an Verteidigungskraft verlor, dachte ich nicht, dass ich meinen Vater bald in so extremen Situationen erleben würde“, schreibt Kitz. Und so begibt sich der Schriftsteller und Jurist in seinem literarischen und persönlichen Essay, der einem das Lesen trotz des schweren Themas nicht schwer macht, auf die Suche nach Antworten, die sich bereits viele Angehörige vor ihm gestellt haben.
Er sucht Trost bei Philosophen und Schriftstellerinnen und liest neurowissenschaftliche Studien in der Hoffnung, dass „ich das Geschehen beeinflussen kann, wenn ich weiß, warum etwas geschieht“. Er lernt, dass sich Prognosen zufolge die Zahl der Demenzdiagnosen alle zwanzig Jahre verdoppelt und dass mit „Apraxie“ die Unfähigkeit gemeint ist, zielgerichtete Bewegungen auszuführen, obwohl Muskeln und Nerven intakt sind.
Doch es gibt keine Formel, die helfen kann in der Verzweiflung, wenn sich Rollen in einer Familie unwiederbringlich umkehren, wenn das Urvertrauen zerplatzt, an das man sich sein Leben lang geklammert hat. Keine Formel dafür, wie es ist, wenn man Erziehungsberechtigten Autorität und Autonomie nimmt und darum kämpfen muss, dass der beauftragten Haushaltshilfe bitte auch die Tür geöffnet wird. Wenn man erkennt, dass es daheim allein einfach nicht mehr geht. Wenn mit den Schüben der Krankheit aus einem der „friedlichsten Menschen, die man sich vorstellen konnte“ ein „anderer, bisher nicht vorstellbarer Vater“ wird.
Am Ende bleibt die Lücke. „Ich musste mir eingestehen, wie wenig ich über das Leben meines Vaters wusste. Was hatte dieser Mann gewollt, und was hatte er bekommen? Ich wusste es nicht.“ Ebendies macht die Lektüre von „Alte Eltern“ vor allem zu einer Ermutigung, die eigenen Eltern nach all dem zu fragen – solange sie imstande sind, auch darauf Antworten zu geben.
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